Artikel vom 17.07.2012

Hochmittelalterlicher Silberbergbau in Dippoldiswalde

Spektakuläre Funde lassen den Beginn des Silberbergbaus in Dippoldiswalde in neuem Licht erscheinen

Seit 2008 führt das Landesamt für Archäologie Sachsen baubegleitende Untersuchungen in einem bislang für das hohe Mittelalter in Sachsen vollkommen unbekannten Silberbergbaugebiet in Dippoldiswalde durch. Den Arbeiten gingen Tagesbrüche voraus, die in der Folge durch die Bergsicherung Freital GmbH unter Leitung des Sächsischen Oberbergamtes Freiberg saniert werden. Es stellte sich heraus, dass es in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts im Norden und Osten der Stadt ein System von Bergbauanlagen gegeben hat. Der Bergbau ging auf silberhaltige Bleierze, deren Abbau bis in eine Tiefe von über 26 m reichte. Die Erzgänge liegen in einem Abstand von 20–40 m annähernd parallel zueinander und wurden von zahlreichen senkrechten oder leicht tonnlägigen Schächten aufgefahren, wobei die den Erzgängen folgenden Abbaue durch Querschläge verbunden waren. Bislang lässt sich eine Ausdehnung des Bergbaugebietes im hohen Mittelalter von mehr als 1 km sicher belegen.

Die zahlreichen organischen Funde, vor allem Verbau- und technische Hölzer, sind von hervorragendem Erhaltungszustand und dendrochronologisch sehr gut datierbar. Demnach könnte der Bergbau in Dippoldiswalde bereits zwischen 1185/1200 begonnen haben, nur zwei Jahrzehnte nach der Entdeckung des Freiberger Silbers im Jahre 1168. Bereits um 1210/30 waren Tiefen von 15–26 m erreicht. Die bislang untersuchten Schächte und Gänge wurden in der Mitte des 13. Jahrhunderts aufgegeben und verfüllt. Die Anlagen gerieten in Vergessenheit. Lediglich an zwei Stellen gibt es Hinweise auf bergbauliche Aktivitäten im Zuge des 2. Berggeschreys während des 16. Jahrhunderts.

Neben Kleinfunden wie gedrechselten Schalen, Daubenschalen, Seil- und Lederresten sowie Keramikfragmenten konnten bislang zwei fragmentierte hölzerne Schaufelblätter (eines mit Stiel) und eine gestielte hölzerne Kratze – jedoch noch keine eisernen Werkzeuge – geborgen werden.
Für die Montanarchäologischen Forschung außerordentlich bemerkenswert und für den hochmittelalterlichen Bergbau Mitteleuropas teilweise einzigartig sind gut erhaltene Teile mehrerer Sprossenfahrten (Leitern), in situ geborgener Handhaspeln, eine Arbeitsbühne, zahlreiche original verbaute Hölzer von Firstkästen sowie Vorformen frühen Strossenbaus.

Damit erscheint der bislang lediglich in spätmittelalterlichen Schriftquellen im Jahre 1300 sowie 1401–05 genannte Silberbergbau von Dippoldiswalde in völlig neuem Licht:
Es handelt sich um den nach Freiberg ältesten mittelalterlichen Bergbau Mitteldeutschlands, der jedoch im Unterschied zu diesem deutlich besser archäologisch fassbar ist. Die in den nächsten Jahren in Abhängigkeit der Sanierung unter Tage wie auch über Tage im Bereich des Obertorplatzes fortlaufenden archäologischen Untersuchungen in Dippoldiswalde, versprechen somit einen wesentlichen Erkenntnisschub für die archäologische Erforschung des hochmittelalterlichen Bergbau in Sachsen, in Mitteldeutschland und in ganz Mitteleuropa.